Drei Jahre Ausnahmezustand?

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In einem mindestens dreijährigen Kraftakt wird die Wellingsbütteler Landstraße ab Sommer 2021 saniert. Lokale Geschäftsleute befürchten “katastrophale soziale und finanzielle Folgen”.

Rolf-Detlef Willer ist schon einiges gewohnt. Dem Inhaber des renommierten Wellingsbüttler Juweliergeschäfts verursachten bereits die umfassenden Sanierungsmaßnahmen der Rolfinckstraße vor einigen Jahren nach eigenen Angaben 30% Umsatzeinbuße – ein Rekordverlust für das Unternehmen, das seit 1928 an diesem Standort ansässig ist. Dazu kamen (und kommen) in diesem Jahr die Belastungen durch die Covid-19-Lockdowns und nun die neueste Hiobsbotschaft: Die Wellingsbütteler Landstraße wird ab Juli 2021 in mehreren Bauabschnitten saniert.

“Die grundlegenden Ziele sind die Optimierung der Straßenquerschnitte, der Bau von regelkonformen Radverkehrsanlagen und Gehwegen unter besonderer Berücksichtigung des vorhandenen Baumbestandes, die Optimierung der Ampeln und der Beleuchtung sowie die Sanierung der Fahrbahn”, informiert der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG). Als Problem daran sehen Kritiker, dass die Erreichbarkeit der Geschäfte nicht mehr gewährleistet werden kann. “Im Gegensatz zu anderen Straßen gibt es aufgrund der Eingrenzung durch den Ohlsdorfer Friedhof und der parallel laufenden Alster auch keine Ausweichmöglichkeiten über Querachsen”, warnt Rolf-Detlef Willer in einem Brief an den LSBG. Ob die alternativen Anfahrwege Saseler Chaussee/Bramfelder Chaussee sowie Alte Landstraße für den zusätzlichen Verkehr ausreichen und drei Jahre lang frei und ihrerseits ohne Baustelle bleiben, ist überlebenswichtig. “Einerseits läuft die gesamte Logistik über Lkw und andererseits bedeuten bereits kleinere Bauvorhaben nebst Behinderungen nicht unerheblichen Umsatzrückgang”, erinnert Rolf-Detlef Willer. “Eine jahrelange Vollsperrung der Straße würde mit Sicherheit das wirtschaftliche Aus für manchen Geschäftsinhaber hier bedeuten. Gleiches gilt selbstredend für sämtliche Betriebe entlang dieser langen Straße, insbesondere, wenn diese von Publikumsverkehr leben.”

Doch nicht nur die Geschäftsleute sehen die Pläne mit Sorge. Auch der Alstertaler Dennis Thering, Fraktionsvorsitzender der Hamburger CDU, wettert gegen die Pläne: „Die Umbaumaßnahmen am Wellingsbüttler Weg und der Wellingsbütteler Landstraße dürfen auf keinen Fall zulasten der Anwohnerinnen und Anwohner gehen. Sie dürfen auch keinesfalls den Verkehrsfluss, der in normalen Zeiten im Berufsverkehr ohnehin schon belastet ist, weiter beeinträchtigen. Und vor allem dürfen die rot-grünen Pläne auch nicht dazu führen, dass der besondere Allee-Charakter mit zahlreichen alten Straßenbäumen auf weiten Teilen dieser Strecke zerstört wird. Vor diesem Hintergrund ist es besonders beunruhigend, dass die Kommunikation zu den Plänen mal wieder unterirdisch ist, noch immer wissen die Betroffenen nicht genau, was sie eigentlich erwartet. Hier müssen die Anwohner jetzt endlich besser miteingebunden werden.“ Zumindest in puncto Allee-Charakter der Straßen sollten sich die Sorgen nach jetzigen Planungsstand als unbegründet herausstellen: Hamburg Wasser plant im Zuge seiner Leitungsbaumaßnahme insgesamt 3 Bäume im Kreuzungsbereich Fuhlsbüttler Straße / Wellingsbütteler Landstraße auf der Mittelinsel zu fällen, zwei davon jedoch neu zu pflanzen und zusätzlich in dem Planungsgebiet neun weitere Bäume zu setzen.

Nicht nur aus Wellingsbüttel kommt Oppositionskritik. Martina Lütjens, CDU-Wahlkreisabgeordnete aus Klein-Borstel, meldet ebenfalls Bedenken an: “Es gibt weder konkrete Pläne für Rettungseinsätze von Polizei, Krankenwagen oder Feuerwehr; auch wurde gar nicht auf die wirtschaftliche Situation unseres Einkaufsdorfs Klein Borstel Rücksicht genommen. Außerdem fehlt ein Verkehrskonzept für die Zeit der Vollsperrung. Die Pläne müssen unbedingt überarbeitet werden.” Außerdem moniert sie, es sei unklar, welche Regelungen es für die Albert Schweitzer Schule und das Albert Schweitzer Gymnasium gibt. “Eine Betrachtung der Schulwege sollte unbedingt erfolgen.”

Bis Sonntag letzte Woche konnten Bürger Online-Feedback geben, das in die Planung eingearbeitet werden soll. Nach der Fertigstellung der Pläne werden diese erneut im zuständigen Ausschuss vorgestellt. Ob und in welcher Weise die Sorgen der Unternehmer und Anwohner berücksichtigt wurden, zeigt sich dann. Wir werden weiterhin berichten!

Mehr Informationen zum Stand der Planungen gibt es online auf lsbg.hamburg.de/wellingsbuetteler-landstrasse/