KOLUMNE: Haben wir das Glück verloren?

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Seit vielen Jahren schreibt der Publizist Wolfgang E. Buss kritische Kolumnen. Vielfach gefallen sie weder Politik, Regierenden noch Mainstream. Doch jene Leserinnen und Leser, die auch andere Meinungen wertschätzen, lesen sie begeistert. Hier der Text aus der aktuellen Ausgabe des ALSTER MAGAZIN.

Wieviele Monate ist es nun schon her, als wir das letzte Mal über Glück nachdachten, philosophierten und schrieben? Bhutan – der kleine Staat im Himalaya, den ich so gerne besuchte – hat das Glück seiner Bürger sogar als Staatsziel in die Verfassung geschrieben.
Und wir? Uns ist das Glück abhanden gekommen, oder anders, wir haben es dem Virus geopfert. Das Glück wird von der Todesangst vor Covid-19 überwuchert. Das mediale Dauerfeuer aus Infektions- und Todeszahlen, hat alle Glücksgefühle ausgelöscht. Und der schwache Trost, zu den Auserwählten zu gehören, die bisher überleben durften, macht einige vielleicht ehrfürchtig – aber nicht glücklich.
Eine andere Gruppe Menschen, die aus den Horrorzahlen herauslesen, dass an Grippe und Lungenentzündung oder gar Krebs bisher viel, viel mehr Menschen starben, sind genervt von einem übergriffigen Staat – der nun bald von ihnen verlangt, ihre Nachbarn zu verpfeifen, wenn diese zu viel Besuch haben.
„Glück ist, wenn deine Gedanken, deine Worte und dein Tun im Einklang sind,“ sagte Mahatma Ghandi. Doch davon sind wir weit entfernt. Dafür wird zu viel gelogen.
Andere sagen, ein großes Glück sei für sie, dass sie das Gesicht des SPD-Politikers Karl Lauterbach einfach weg-zappen können, wenn er im TV erscheint. Und das komme derzeit ziemlich häufig vor. Der Mann, das Gesicht, sein Duktus, seine Prophezeiungen von bald Millionen deutschen Toten, sei das lebende Unglück.
Die Sozialwissenschaftler und Glücksforscher sind sich durchgehend einig, dass der wichtigste Glücksfaktor unsere sozialen Beziehungen sind. In Gesellschaft zu sein, ist wunderbar. Wir sind keine einsamen Wölfe. Umgekehrt lautet die Formeln, was uns maximal unglücklich macht, ist der Entzug sozialer Kontakte. Deshalb entschied sich der Gesetzgeber, als Höchststrafe nicht Folter oder Todesstrafe zu verhängen, sondern die Entziehung sozialer Kontakte. Knast. Da soll keiner glücklich werden. Und genau da sind wir gerade. 
Doch es fehlt nicht nur das Glück – für viele kommt auch noch Wut hinzu: Sie vertrauen dem deutschen Obrigkeitsstaat so wenig, wie deutsche Journalisten Donald Trump. Viele machen unseren Politikern alternative Vorschläge – und finden deshalb medial nicht statt. 
Immerhin erlaubt man ihnen noch, die Illusion des Glücks einzukaufen: Die Weinhändler feiern aktuell das beste Jahr ihrer Geschichte.
Hoffnung? Ja, die gibt es, ebenfalls von der Glücksforschung. Es sind die magischen zwei Jahre. So gilt als erwiesen, dass Menschen, die als Lotto-Millionäre Glückshormone wie Dopamin in Hülle und Fülle ausschütteten, nach zwei Jahren wieder auf „Normal-Niveau“ herunter kommen. Das Gehirn hatte sich in seiner Komplexität daran gewöhnt, der alltägliche Ärger kam zurück. Umgekehrt berichten Menschen nach schweren Schicksalsschlägen, zum Beispiel einer Querschnittslähmung, dass sie nach zwei Jahren wieder Glück erleben konnten. Sie wussten das Leben jetzt besonders zu schätzen und hatten gelernt, mit dem Rollstuhl zu leben.
Ist das die Perspektive, mit Covid-19 fertig zu werden? Zwei Jahre, um aus dem Tief herauszukommen? 
Ein neuer, übler Werbespot – ausgerechnet von der Bundesregierung – verballhornt aktuell die Vereinsamung und ihre psychischen Folgen. Er zeigt, wie dämlich und ignorant „die da oben“ tatsächlich sind.
Und das macht keinen glücklicher – im Gegenteil: Es macht noch trauriger!