Mitte Oktober wählten die Mitglieder des BUND Hamburg mit großer Mehrheit die 60-jährige Umweltpädagogin Christiane Blömeke, die 16 Jahre für die GRÜNEN in der Bürgerschaft saß, als ihre neue Vorsitzende. Wir berichteten und haben jetzt noch einmal nachgefragt.
Glückwunsch zur Wahl. Warum tut man sich so eine Führungsposition nach aufreibenden Jahren in der Politik an?
Ich habe kein gemütliches Sofa! Nein im Ernst. Nur, weil ich mich aus der Politik zurückgezogen habe, heißt dies ja nicht, dass ich mich zur Ruhe setze. Die 30 Jahre Politik haben mich geprägt und ich bleibe ein politischer Mensch auch ohne mein Abgeordnetenmandat. Vor allem aber ist es mir wichtig, weiterhin meinen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten.
Deswegen bin ich bereits 1988 in den BUND eingetreten. Die Geburt meines 1. Kindes hat mich dazu gebracht, denn ich wollte, dass meine Kinder in einer schönen Umwelt mit sauberer Luft und viel Grün groß werden. Der Wunsch mich aktiv für unser Klima einzusetzen ist heute stärker denn je. Das Thema Nachhaltigkeit und welche Welt wir den Kindern hinterlassen treibt mich weiterhin an. Der BUND ist also meine alte Heimat mit neuer führender Funktion. Ich kann jetzt kompromisslos und ohne Koalitionszwänge mich für Klima, Umwelt und Naturschutz einsetzen. Das belebt und setzt neue Energie frei.
Ich kenne einige Grüne, die die Partei verlassen haben, weil sie ihnen nicht mehr Grün genug ist und das „Öko“ verschwunden ist. Sie engagieren sich jetzt anders für die Umwelt. Du ja auch. Weil du es auch so gesehen hast?
In der Politik müssen Kompromisse gemacht werden. Kompromisse sind das Wesen der Demokratie. Das ist klar. Manche Menschen sehen dann gleich einen „Ökoschwund“ bei den Grünen. Das tue ich nicht, aber ich hatte Lust auf etwas Neues und wollte meine eigenen Werte wieder mehr in den Mittelpunkt meiner Arbeit stellen – ohne Abstriche machen zu müssen. Die Grüne Partei bleibt weiterhin meine politische Heimat, denn ich sehe dass durch die Grünen viel in Bewegung gekommen ist und mir wichtige Themen auf die Agenda der Tagespolitik gekommen sind. Ich hoffe sehr, dass es zu einer grünen Regierungsbeteiligung nach der nächsten Bundestagswahl kommt.
Zieh doch bitte mal ein kurzes Fazit deiner 30 Jahre als engagierte Politikerin der Grünen und 16 Jahre Bürgerschaft?
Ich bin heute immer noch sehr dankbar für diese 30 Jahre der politischen Erfahrung. Rückblickend war es eine Ehre, 16 Jahre lang die Geschicke der Stadt in der Bürgerschaft mitzulenken – sei es nun in der Regierungsverantwortung oder aus der Opposition. Den Bürgerinnen und Bürgern in den Walddörfern und im Alstertal möchte ich auch an dieser Stelle herzlich danken, dass sie mir ihr Vertrauen geschenkt haben und mich wiederholt als „ihre“ grüne Abgeordnete in die Bürgerschaft gewählt haben.
Die politische Arbeit war so vielfältig und ich habe sehr viel gelernt, was mir heute zugutekommt. Vor allem aber bin ich mit vielen verschiedenen Menschen und ihren Anliegen in Kontakt gekommen. Manchmal hat es mich bedrückt, dass ich nicht mehr für sie tun konnte, auch weil mich manchmal das Anliegen zwar überzeugt hat, aber die politischen Mehrheiten dafür nicht da waren. Das waren schwierige Momente für mich.
Mein Sternzeichen ist Wassermann. Menschen mit diesem Sternzeichen gelten oft als neugierig, unternehmungslustig und immer auf der Suche nach Neuem und nach Abwechslung. Beides habe ich in der Politik gefunden. Aber es waren oft sehr anstrengende Tage und ich würde mir wünschen, dass die Bürgerinnen und Bürger sehen, mit welchem Einsatz die Abgeordneten gerade hier in Hamburg arbeiten.
Konflikte zwischen Wirtschaftsvertretern und Umweltschützern und -verbänden nehmen zu und werden es wohl noch stärker tun, siehe Elbvertiefung oder Fehmarnbelt-Querung. Gibt es beim BUND auch Wirtschaftsexperten, oder zieht ihr welche zu Rate, wenn es um umweltpolitische Aktionen geht, die die Wirtschaft betreffen?
Der BUND hat mehr als 11.000 Mitglieder in Hamburg. Da sind viele Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen – auch Wirtschaftsexpertinnen und -experten – dabei. Die Zusammenarbeit mit der BUND-Bundesebene ist eng, sodass wir auch auf Experten*innen Wissen aus Berlin zurückgreifen können, falls wir in Hamburg nicht weiterkommen.
Für juristische Fragen zieht der BUND ausgewiesene Fachjuristen*innen hinzu. Für die genannten Themen Elbvertiefung und Fehmarn-Belt-Querung wäre es im Übrigen viel zu einseitig, nur auf Wirtschaftsexperten*innen zu setzen. Uns ist es wichtig, die zunehmend komplexeren Themen in ihren Auswirkungen von vielen Seiten zu betrachten.
Großprojekte zu verwirklichen dauert in Deutschland Jahre. Konservative Politiker fordern deswegen Beschränkungen im Verbandsklagerecht. Zu Recht, beziehungsweise, kannst du das aus wirtschaftlicher Sicht nicht doch ein bisschen nachvollziehen?
Nein, das kann und will ich gar nicht nachvollziehen. Es geht nicht um das so oft beschriebene Gegeneinander von Wirtschaft und Umwelt – also von Ökonomie und Ökologie. Die Herausforderung ist doch die Verbindung von Nachhaltigkeit, Klimaschutz und den wirtschaftlichen Aspekten.
Das Verbandsklagerecht ist immer dort wichtig, wo die Mühe und Arbeit gescheut wird diese Verbindung zu denken. Wir haben nur die eine Welt. Es kann nicht sein, dass Natur und Umwelt nachrangig gesehen werden. Wenn ich die Elbvertiefung betrachte, dann zeigt das Thema deutlich, wie wichtig das Verbandsklagerecht ist. Leider wird die Elbe trotzdem ausgebaggert, aber es müssen zahlreiche Ausgleichsmaßnahmen und Aufwertungen der Natur an anderer Stelle umgesetzt werden. Dies hätte es ohne die Klage so nicht gegeben.
Wir sehen jetzt, wo Hamburg ein großes Problem hat, den Hafen – und den Elbschlick zu entsorgen und die gerade ausgebaggerte Fahrrinne wieder mit Sedimenten vollläuft, dass die Bedenken und die Klage gegen die Elbvertiefung berechtigt waren.
Bald könnte es übrigens ein nächstes Klageverfahren geben, weil der Hamburger Senat verkündet hat, den belasteten Hafenschlick ausgerechnet bei der Insel Scharhörn am Rande des Weltnaturerbes Hamburgisches Wattenmeer zu verklappen.
Die Corona Pandemie beschäftigt uns alle, kostet Arbeitsplätze. Bestimmt sie also die Sorgen der Menschen. Merkt ihr das in eurer Arbeit, lässt das Interesse an Umweltschutz nach?
Nein, wir haben seither sogar einen Mitgliederzuwachs zu verzeichnen und haben inzwischen in Hamburg mehr Mitglieder als die SPD!
Corona ist eine schlimme Pandemie mit Herausforderungen und Auswirkungen, die ich mir nie hätte vorstellen können. Aber der Klimawandel macht ja wegen der Corona-Pandemie nicht halt. Die Menschen sorgen sich weiterhin um ihre Zukunft und um die Zukunft ihrer Kinder – die Erderwärmung und der Klimawandel mit all seinen Auswirkungen sind dabei zentrale Themen. Das Interesse am Umwelt- und Klimaschutz lässt in der Bevölkerung überhaupt nicht nach. Zum Glück!
Welches ist denn dein wichtigster Punkt für Hamburg auf deiner BUND-Agenda?
Es gibt nicht den wichtigsten Punkt. Die Themen, mit denen sich der BUND befasst, sind vielfältig. Sicherlich wird der Klimawandel weit oben auf unserer Agenda stehen. Es wird jetzt darum gehen, unverzüglich wirksame Maßnahmen zu ergreifen und wir werden den Klimaplan des Hamburger Senats sehr kritisch begleiten. Dabei werden wir auch darauf achten, dass die Maßnahmen mit Geld hinterlegt werden, weil sie sonst ein Papiertiger bleiben.
Aber es geht uns auch um eine neue Ausrichtung der Wirtschaft, um die so genannte „sozial-ökologische Transformation“. Der Begriff steht dafür, dass Wirtschaftsbetriebe nachhaltig produzieren und gleichermaßen ökologische und soziale Aspekte berücksichtigen. Hierzu hat sich der BUND mit anderen Verbänden – etwa dem Sozialverband Deutschland – einem Hamburger Bündnis zusammengeschlossen.
Weitere Themen wie die erwähnte Schlickablagerung am Rande des Nationalparks Wattenmeer, nach wie vor die Elbvertiefung oder Bauvorhaben in Landschaftsschutzgebieten werden ebenfalls auf unserer Agenda stehen. Nicht zuletzt will ich aber die wertvolle Arbeit des BUND im Bereich der Umweltbildung nennen sowie den praktischen Naturschutz, der in unserem Landesverband von vielen Ehrenamtlichen geleistet wird. Ohne diese wäre der BUND gar nicht arbeitsfähig.
Und welches der wichtigste für das Alstertal und die Walddörfer?
Im Alstertal und den Walddörfern ging es immer schon um das Tauziehen zwischen ökologisch wertvollen Grünflächen und einer geplanten Bebauung. Vor dem Hintergrund des Wohnungsbauprogramms des Senats, aber auch durch Schulneubauten werden sich diese Konflikte sicherlich weiter zuspitzen. Freie Flächen dafür sind auch in den grünen Randgebieten begrenzt und wir wollen nicht, dass sie für die Natur zunehmend unter die Baggerschaufeln kommen. Sie sind nicht nur für Tiere und Pflanzen ein wichtiger Lebensraum sondern tragen als grüne Schneisen zu einem ausgewogenen Stadtklima bei. Dazu kommt, dass die Walddörfer und das Alstertal einen großen Beitrag zur Naherholung für alle Menschen aus der Stadt beitragen. Das merken wir gerade jetzt in Corona Zeiten, wenn die Menschen aus der Isolation ihrer oft kleinen Wohnungen in die Natur fliehen.
Ich habe schon in meiner politischen Zeit als grüne Abgeordnete um den Erhalt von Grünflächen gekämpft. Das mache ich jetzt als Landesvorsitzende mit dem BUND weiter.
Übrigens – für diese Arbeit und für die vielen weiteren Themen im BUND freuen wir uns immer über Menschen, die den BUND als Mitglieder, durch ihre aktive Mitarbeit oder mit ihrer Spende unterstützen. So kann jede und jeder einen Beitrag gegen den Klimawandel und für den Schutz von Umwelt und Natur leisten.
Wie bereits zu Zeiten als Abgeordnete freue ich mich ganz besonders, wenn die Menschen mich persönlich ansprechen. Sie erreichen mich über christiane.bloemeke@bund-hamburg.de.
Vielen Dank für das engagierte Interview.
Christiane Blömeke hat sich bereits vor über 30 Jahren für den BUND Hamburg engagiert, jetzt ist sie die neue Vorsitzende und möchte sich nach langen Jahren als Grüne in der Hamburger Bürgerschaft – in diesem Jahr war Schluss – „noch freier und konsequenter“ für den Klima-, Umwelt- und Naturschutz einsetzen. © BUND Hamburg