Was bleibt nach dem Pokalkick?

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Am letzten Januarwochenende verloren die 1. Frauen des Walddörfer Sportvereins gegen den FC Bayern München in der 3. Runde des DFB-Pokals 0:13. Für die Volksdorferinnen ein „Jahrhundertspiel“. Genau einen Monat später, wollten wir vom Mannschaftsbetreuer Heinrich Färber wissen, was nach dem Kick bleibt.

Alstertalplus: Einige Spielerinnen sprachen vor dem Kick vom „Spiel ihres Lebens“. War es das mit ein paar Tagen Rückblick?
Heinrich Färber: Ja und das wird sicherlich auch so bleiben. Das Spiel hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen und wir alle werden lange davon zehren. Zumal die Partie gegen die Frauen vom FC Bayern aufgrund einer einzigartigen Konstellation zustande kam, wird so etwas sicherlich in den kommenden 30 oder 40 Jahren im Verein nicht wieder vorkommen.

Warum nicht?
Zum einen mussten wir uns ja erst einmal über den Hamburger Lotto-Pokal für den DFB-Pokal qualifizieren, das ist auch keine Selbstverständlichkeit. Und dann brauchte es auch Losglück. Sicherlich hätten wir mit viel Glück auch gegen einen Zweitligisten gewinnen können. Man muss aber wissen, dass die Unterschiede bei den Frauen in den Ligen viel größer sind, als bei den Männern. Dort ist es immer wieder möglich, dass ein Viertligist einen Verein aus der ersten Bundesliga schlagen kann. Das passiert ja auch. Ich musste immer schmunzeln, wenn uns Leute sagten: „Macht es doch wie Kiel.“ Aber Kiel ist von Bayern einige Zentimeter entfernt, wir viele Kilometer. Wir hatten nicht einmal eine Außenseiterchance. Und da Bayern dann auch noch mit 80 Prozent seiner Stammspielerinnen angetreten ist, sowieso nicht. Da muss man realistisch sein.

Anders als im Herrenbereich trennen die 1. und die 3. Liga Welten. Deswegen ist eine Pokalsensation quasi unmöglich und „nur“ 13 Gegentore ein achtbarer Erfolg für die Volksdorferinnen. Das Spiel fand nicht wie geplant in Jenfeld statt, sondern auf dem Platz des HSV-Internats am Volksparkstadion – ein weiteres Highlight für die Spielerinnen.

Das Ergebnis war dann ja auch standesgemäß.
Ja, obwohl auf Kunstrasen hätte eine so versierte Mannschaft wie Bayern uns spielerisch „todzaubern“ und auch locker 25:0 gewinnen können. Aber wir haben gut gegengehalten, haben die Bayern abgelaufen und die Passwege zugestellt. Man muss aber auch ehrlich genug sein, um zu sagen, dass sie teils einen so schnellen One-Touch- Fußball spielen, dass wir kaum in die Zweikämpfe reingekommen sind. Trotzdem war es unserer hohen Laufbereitschaft zu verdanken, dass teils über 15 Minuten Spieldauer kein Tor gefallen ist. Wenn man sieht, dass Ligakonkurrenten auch 7 oder 8:0 verlieren, dann sind 13 Tore für einen Drittligisten nicht viel. In Relation zu den Ligaergebnissen haben unsere Amateurinnen – so komisch das vielleicht auch klingen mag – einen Achtungserfolg erzielt.

War man eigentlich neidisch auf die Bayern, die als Profiverein durchtrainieren konnten? Der WSV benötigte als Amateurverein ja eine Sondergenehmigung.
Klar. Wir haben eine Woche eher angefangen als wir sollten. Es hieß wir sollen zwei Wochen vor Spiel beginnen, für uns eine extreme Wettbewerbsverzerrung, denn die haben ja durchtrainiert. Nach der zweiten Runde haben wir die Spielerinnen in die Weihnachtsferien geschickt und hatten eine Verlängerung der Sondergenehmigung durch die Innenbehörde. Im Januar haben wir sofort wieder angefangen und 5 Testzyklen, eine mehr als gefordert, damit wir 4 Wochen Vorbereitung hatten. In Absprache mit dem DFB haben wir diese Test selber ehrenamtlich durchgeführt und keine Kosten in Rechnung gestellt. Offen sind noch rund 20.000 Euro für Laborkosten, die der DFB voraussichtlich übernimmt. Aber alleine darüber, wie unterschiedlich Politik und Sportverbände mit der Testpflicht für Profis und Amateure umgegangen sind, könnten wir Stunden sprechen.

Die Herren, die am DFB-Pokal teilnehmen, könnten über diese Summe lächeln: Alle Vereine, die im vergangenen Jahr die dritte Runde des Pokals erreicht haben, bekamen 702.000 Euro Prämie vom DFB überwiesen. Man traut sich ja kaum zu fragen, was der WSV für das Erreichen bekommen hat?
9.000 Euro. Und diese Summe weist definitiv eine Null zu wenig auf, ein altbekanntes Problem. Bei 700.000 zu 50.000 würde ich sagen naja klar, aber so …. (Pause) eine Amateurmannschaft, wie wir es sind, kommt alle 10 Jahre mal so weit, da verdient sich keiner eine goldene Nase, aber die hätte ein zwei Jahre mal keine finanziellen Sorgen. Im Herrenbereich wird querfinanziert, da bekommt selbst ein Viertligist hohe Prämien, auch wenn das Spiel alleine gesehen nicht hohe Gelder einspielt.
Wir haben in Deutschland ja generell ein Problem, den Frauensport ernst zu nehmen. Im Tennis hat es zum Teil funktioniert, da bekommen auch die Damen hohe Preisgelder. Gerade im Fußball muss sich etwas ändern. Das Gefälle löst seit Jahren großen Ärger aus und die Vereine könnten sich mit größeren finanziellen Mitteln besser entwickeln, für guten Nachwuchs sorgen. Aber wir bleiben stecken im Sport, dabei will doch der DFB die Frauen wieder als Europameister sehen. Aber andere Länder wie Schweden, Norwegen oder die USA haben es anders gelöst, da gibt es viel mehr Geld vom Verband und vor allem vom Staat. Die USA sind da vorbildlich, weil Subventionen gleichmäßig über Sportarten verteilt werden, geschlechterunabhängig. Das finde ich sehr professionell und es schlägt sich in den sportlichen Leistungen nieder.

Jetzt nach etwas Abstand, wie sieht ein kurzes Fazit aus?
Gut, wir hatten extremes Losglück, aber ohne Leistung erarbeitet man sich das nicht. Dafür mussten wir schließlich erst Pokalsieger in Hamburg werden, das haben wir ein paar Mal in den letzten Jahren verpasst. Diesmal haben wir das Finale souverän mit 10:0 gewonnen. Von daher hat sich die Mannschaft das wirklich verdient. Zumal wir dann bei unseren beiden Gegnern Rostock und Delmenhorst in der ersten und zweiten Runde jeweils Auswärts antreten mussten. Und das auch noch auf ungewöhnlichem Geläuf in schlechtem, sehr tiefen Zustand – wir sind nämlich eine Kunstrasenmannschaft. Insofern war es der verdiente Lohn, den FC Bayern München als Gegner bekommen zu haben.

Das Spiel hat Ihnen viel mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Ein plus für die Zukunft?
Erst mal ein Lob an unseren Haupt-Sponsor den wir auf der Brust tragen, Airport Hamburg, er hat uns in diesem auch für ihn so schweren Corona-Jahr die ganze Zeit gut unterstützt. Schön, dass wir mit der medialen Präsenz etwas zurückgeben konnten. Und innerhalb des Vereins mit seinen rund 50 Sportangeboten hat sich natürlich eine Zeit lang alles auf den Frauenfußball fokussiert und ihn aufgewertet. Auch in Hamburg, denn wann hat es zuletzt eine Liveübertragung mit Hamburger Beteiligung gegeben. Ewig nicht. Inwieweit sich das auszahlt, wird man sehen.

Das gesamte Team hat ja nun die Luft von ganz oben geschnuppert. Wie sieht es mit Ambitionen für die 2. Liga aus? Gibt es konkrete Aufstiegspläne?
Die aktuelle Tabelle, wir sind fünfter, hat wegen den corona-bedingten Unterbrechungen keine Aussagekraft. In den regulär beendeten Jahren davor sind wir zwei Mal Vizemeister geworden. Wir sind sportlich in der Lage vorne in der dritten Liga mitzuspielen und durch das gute Abschneiden im Pokal, hat man noch mehr Reputation, sowohl im Verein als auch im Umfeld. Sponsoren sehen, dass sie sich gut in der Öffentlichkeit präsentieren können. Wir haben auch beschlossen, dass wir nicht zurück in eine Art sportlichen Winterschlaf gehen wollen, sondern für neue Highlights sorgen möchten.
Das bedeutet nicht, dass wir in den nächsten drei Jahren in die zweite Liga aufsteigen müssen. Wir würden uns aber natürlich auch nicht dagegen wehren, mittelfristig auch noch mal einen Schritt nach vorne zu machen, wenn das Ganze durch den Verein, Sponsoren und eine entsprechende Logistik abgesichert ist. Da sind wir schon dran. Wir haben etwa einen neuen Torwart-Trainer. Das hat man gemerkt, denn unser Torwart hat nach dem Spiel viel Lob bekommen. Wir sind auf einem guten Weg, uns in den kommenden Jahren in der Liga oben festzusetzen. Mal wird sehen, was dann zusätzlich möglich ist. kw

Alle Fotos: © Walddörfer SV/Florian Leibold