Childhood-Haus Hamburg: Zentrum für Kinderschutz am UKE eröffnet

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Das Childhood-Haus Hamburg ist am Nikolaustag in kleinem Rahmen feierlich eröffnet worden. Im neuen Kompetenzzentrum für Kinderschutz können Kinder und Jugendliche, die Misshandlungen, sexualisierte Gewalt oder Vernachlässigung erfahren oder beobachtet haben, in kindgerechter Umgebung untersucht und begleitet werden.

Die Kinder und Jugendlichen werden in der interdisziplinären Einrichtung gemeinsam von Medizinerinnen und Medizinern, Psychologinnen und Psychologen sowie Fachkräften aus Kinderschutz, Jugendhilfe, Gericht und Polizei betreut und befragt. Ermöglicht wurde das Childhood-Haus Hamburg unter der Trägerschaft des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) durch den Hamburger Senat und die World Childhood Foundation Deutschland. Die Einrichtung ist die erste ihrer Art in Norddeutschland und die sechste in Deutschland.

Aufmacherfoto: Justizsenatorin Anna Gallina, Familiensenatorin Dr. Melanie Leonhard, Prof. Dr. Benjamin Ondruschka, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des UKE, Dr. Astrid Helling-Bakki, Geschäftsführerin der World Childhood Foundation Deutschland (v.l.). © UKE

Familiensenatorin Dr. Melanie Leonhard: „Kinderschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der wir alle gefordert sind, noch viel genauer hinzusehen, zuzuhören und nachzufragen, denn Gewalt und Missbrauch gegen Kinder und Jugendliche ist ein Thema, das uns alle angeht. Sich damit auseinanderzusetzen, was das für Betroffene bedeutet, vor welchen Herausforderungen diese stehen und was wir als Gesellschaft tun können, um die Situation zu verbessern, war einer der Leitgedanken für den Aufbau des Childhood-Hauses. Mit der Eröffnung setzt Hamburg ein Zeichen, dass Kinderschutz in gemeinsamer Verantwortung weiterentwickelt wird.“

Justizsenatorin Anna Gallina: „Das Childhood-Haus Hamburg ist ein geschützter, kindgerechter Ort, in dem alle erforderlichen rechtsmedizinischen Untersuchungen und alle erforderlichen Vernehmungen und Anhörungen von Kindern stattfinden können, die Opfer oder Zeuge von Sexualstraftaten, Gewalt oder Vernachlässigung geworden sind. Dadurch, dass die betroffenen Kinder dafür nur einen Ort aufsuchen müssen, reduzieren wir die Belastung der Kinder so weit wie möglich. Durch das Childhood-Haus Hamburg wollen wir auch eine noch stärkere und schnellere Vernetzung und Abstimmung aller an den Verfahren beteiligten Stellen erreichen. Die Hamburger Justiz unterstützt das Childhood-Haus mit großem Einsatz.“

Innensenator Andy Grote: „Kein Kind sollte Gewalterfahrung ausgesetzt sein. Aber es passiert und dann brauchen Kinder unseren Schutz. Besonders wichtig ist dann ein stabiles schützendes Umfeld. Deshalb ist es gut, dass wir mit dem Childhood-Haus jetzt alle Kompetenzen bündeln und damit eine übergreifende Zusammenarbeit an einem Standort im Sinne der Kinder ermöglichen. Befragungen durch Polizistinnen und Polizisten können damit kindgerecht und in geschützter Umgebung stattfinden.“

Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank: „Seit rund 15 Jahren helfen Expert:innen des Kinderkompetenzzentrums am UKE Kindern und Jugendlichen bei Verdacht auf Misshandlung, Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch. Sie unterstützen die Staatsanwaltschaft, die Polizei oder die Jugendämter mit Fachwissen und ihren Untersuchungsmethoden. Gerade während der Corona-Pandemie dürfte die Dunkelziffer von Misshandlung und Vernachlässigung betroffener Kinder weiter gestiegen sein. Die Eröffnung des Childhood-Haus Hamburg heute ist daher genau das richtige Zeichen und der entscheidende Schritt auf dem Weg, die bereits vorhandene Expertise zu einer multidisziplinär betriebenen, ambulanten Anlaufstelle auszubauen und weiterzuentwickeln. So kann Kindern und Jugendlichen in belastenden Situationen eine sichere Umgebung und vollumfänglich Hilfe geboten werden. Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Beteiligten, die diese wichtige Einrichtung für Kinder in Not im Schulterschluss miteinander erst ermöglicht haben.“

Prof. Dr. Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKE: „Ich freue mich, dass wir das Childhood-Haus Hamburg unter der Trägerschaft des UKE heute eröffnen können. Darauf haben wir im UKE, insbesondere im Institut für Rechtsmedizin, gemeinsam mit dem Hamburger Senat und der World Childhood Foundation lange hingearbeitet. Mein besonderer Dank gilt daher den Mitarbeitenden des UKE, die die Eröffnung des Childhood-Hauses Hamburg erst ermöglicht haben, aber natürlich auch unseren Partnern in der Stadt und der World Childhood Foundation.“

Prof. Dr. Benjamin Ondruschka, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des UKE: „Das UKE hat sich mit dem Kinderkompetenzzentrum am Institut für Rechtsmedizin bereits seit langem für den Schutz der Jüngsten und Schwächsten in unserer Gesellschaft eingesetzt. Ab sofort können wir unsere Expertise gemeinsam mit starken Partnern im neuen Childhood-Haus Hamburg bündeln und Kindern und Jugendlichen mit Gewalterfahrungen einen neuen, sicheren Hafen bieten.“

Königin Silvia von Schweden, Gründerin der World Childhood Foundation: „Wir als World Childhood Foundation verfolgen ein Ziel: Mit unseren Projekten wollen wir ein sicheres Umfeld für alle Kinder schaffen, Misshandlung verhindern und denjenigen, die sie bereits erfahren mussten, eine sicherere Zukunft bieten und sie in der Aufarbeitung und Klärung unterstützen. Das Childhood-Haus Hamburg ist ein lang gehegter Wunsch gewesen, dessen Umsetzung mich mit viel Freude und Stolz erfüllt.“

Anka Wittenberg, Vorstandsvorsitzende der World Childhood Foundation Deutschland: „Die UN-Kinderrechte sind zentraler Angelpunkt unserer Arbeit. Es geht uns um einen Perspektivwechsel im Sinne der Kinder und eine echte Partizipation. Die Childhood-Häuser zeigen als positives Beispiel, wie diese Werte im Alltag umgesetzt werden.“

Zentrale Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche mit Gewalterfahrung

Das Childhood-Haus Hamburg soll eine zentrale Anlaufstelle für von Gewalt oder Missbrauch betroffene Kinder und Jugendliche in Hamburg sein. Die Einrichtung bietet Kindern und Jugendlichen im Verdachtsfall oder erklärten Fall von Misshandlungen, sexualisierter Gewalt oder Vernachlässigung einen Schutzraum, in dem sie gebündelt und kindgerecht untersucht, befragt und beraten werden. Dabei übernimmt eine sozialpädagogische Fachkraft die Koordination aller beteiligten Professionen und ist als erste Ansprechperson für das Kind da.

Das Childhood-Haus Hamburg ist eine interdisziplinäre ambulante Anlaufstelle für von Gewalt oder Missbrauch betroffene Kinder und Jugendliche in Hamburg. Die Einrichtung bietet Kindern und Jugendlichen im Verdachtsfall oder erklärten Fall von Misshandlungen, sexualisierter Gewalt oder Vernachlässigung einen Schutzraum, in dem sie gebündelt und kindgerecht unter einem Dach untersucht, befragt und beraten werden. © UKE

Darüber hinaus gibt es im Childhood-Haus Hamburg die Möglichkeit, in Fällen, in denen ein Ermittlungsverfahren läuft, alle notwendigen Befragungen durch Mitarbeitende der Polizei oder Justiz kindgerecht durchzuführen, diese audiovisuell aufzuzeichnen und ins Gericht zu übertragen. Damit sollen den Kindern und Jugendlichen mehrfache Aussagen bei einem möglicherweise folgenden Gerichtsprozess im Gerichtssaal erspart und die Kinder vor einer Retraumatisierung geschützt werden. Auch Familiengerichte können im Childhood-Haus Hamburg Anhörungen und Befragungen von Kindern und Jugendlichen durchführen.

Im Childhood-Haus Hamburg gibt es daher sowohl kindgerechte Untersuchungsräume als auch einen kinderfreundlichen Befragungsraum, der von den Kooperationspartnern genutzt werden kann. In ebenfalls vorhandenen Beratungsräumen können Kinder und ihre Angehörigen durch psychosoziale Fachkräfte beraten und stabilisiert werden. In weiteren Büro- und Besprechungsräumen können sich die Fachkräfte der unterschiedlichen Bereiche untereinander austauschen.

Das Childhood-Haus Hamburg berät alle Menschen, die den Verdacht haben, ein Kind oder ein Jugendlicher könnte misshandelt oder vernachlässigt werden, über mögliche weiter Schritte. Die Mitarbeitenden des Childhood-Hauses sind telefonisch rund um die Uhr erreichbar. Vor Ort werden in der Zeit von 9:00 bis 17:00 Uhr jederzeit Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte sowie Rechtsmedizinerinnen und -mediziner neben sozialpädagogischen Case-Managerinnen und Case-Managern anwesend sein, die bei Bedarf sofort intervenieren und weitere Schritte einleiten können. Mehr Infos gibt es HIER.

Childhood-Haus löst Kinder-KOMPT ab

Träger des Childhood-Hauses Hamburg ist das UKE. Die Einrichtung befindet sich nicht auf dem Klinikgelände in Hamburg-Eppendorf, sondern ist zentral im Stadtteil Hoheluft-Ost gelegen. Bislang wurden Kinder und Jugendliche mit Gewalterfahrung im vom Institut für Rechtsmedizin des UKE betriebenen Kinderkompetenzzentrum (Kinder-KOMPT) untersucht, das im neuen Childhood-Haus aufgeht. Im Kinder-KOMPT wurden allein im Jahr 2020 fast 850 Untersuchungen von Kindern im Säuglingsalter bis zum 18. Lebensjahr durchgeführt, bei denen der bestätigte oder erklärte Verdacht einer Gewalterfahrung bestand. Die Gespräche mit den Familien, die Befragungen der Kinder und die Aufarbeitung der Geschehen wurden bislang – anders als nun im Childhood-Haus vorgesehen – an verschiedenen anderen Orten durchgeführt.

Finanziert wurde das bisherige Kinder-KOMPT im Institut für Rechtsmedizin unter anderem von der Sozialbehörde, die auch das Childhood-Haus Hamburg finanziell unterstützen wird.