Am Schulbergredder in Poppenbüttel hängt an einer Litfaßsäule ein Plakat mit dem Spruch „Du findest den Kitzler, aber nicht die Kondome? FAQ YOU“. Unmöglich. Weg damit, erklärte uns eine Alstertalerin. Das ALSTERTALPLUS sagt, was dahintersteckt.
Mein Telefon klingelt. Am anderen Ende ist eine empörte Alstertalerin: „Haben Sie das Plakat an der Bus-Haltestelle Schulbergredder am Ring 3 gesehen? Wir sind empört und haben uns gefragt, was wir dagegen tun können. Vielleicht können Sie helfen.“ Sie las mir den Text vor: „‘Du findest den Kitzler, aber nicht die Kondome?‘ IN GANZ GROSS … und in klein, ‚für mehr Sex mit weniger Problemen‘ und daneben steht FAQYOU.DE – Sie wissen schon … FUCK…“ Zwischen den Zeilen glaubte ich herauszuhören, dass sie das wohl noch schlimmer fand, als den Inhalt der Aussage. „Wer ist das überhaupt“, sagte die Frau dann noch und betonte, „dort sind doch auch Schüler und nachts ist es auch noch beleuchtet.“
Das Plakat ist bunt, auffällig und aufklärend. Von der Website hatte ich noch nicht gehört. Also schnell mal anklicken. „Wichtige Informationen“ erklären mir, dass es sich um eine Informationsseite handelt, dessen Inhalte nicht für Personen unter 14 Jahren geeignet sind, weil darauf sensible sexuelle Inhalte gezeigt werden, die für manche Personen schockierend sein können. Eines der Themen ist beispielweise Selbstbefriedigung. „How to FAQ myself? Hier ist die Antwort für Jungs und Mädels!“ Es wurden Techniken und Gefahren aufgezeigt und zwar auf sehr einfühlsame Art und Weise. Weitere Themen: Das erste Mal, Geschlechtskrankheiten, Diversität, Geschlechterrollen, beliebte Stellungen und vieles mehr …
Aber wer ist denn nun verantwortlich? Laut Impressum die ohhh! Foundation e.V. aus Blankenese. Nach den Namen von Vertretungsberechtigten kommt der Satz, dass die Schulaufklärung vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird und dass Jugend gegen AIDS e.V. (gleiche Adresse) Projektträger ist. Im Beirat sind namhafte Persönlichkeiten, unter anderem mit Monica Geingos die First Lady Namibias, Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Miriam Meckel und mit Jens Spahn und Daniel Bahr gleich zwei Ex-Bundesgesundheitsminister.
Was wollen die Macherinnen und Macher? „Wir verbessern die Gesundheit und das Wohlbefinden junger Menschen, indem wir sie befähigen, ihre Sexualität respektvoll und sicher zu erforschen, zu erleben und zu leben. Wir sind bestrebt, Plattformen, Projekte und Produkte zu schaffen und auszubauen, die Zugang zu nützlicher Aufklärung und Schutz bieten“, erklärt die ohhh Foundation auf ihrer Website. Eine dieser Plattformen ist faqyou.de und der gleichnamige Instagram-account. Dort werden Fragen beantwortet, die jungen Menschen auf der Seele brennen. Und damit die jungen Leute auch wissen, wo sie fragen können, gibt es u.a. diese Plakataktionen. Ich wollte wissen, welche Reaktionen die Organisation darauf bekommt und habe mit Kampagnenleiter Marlon Jost gesprochen, der übrigens in Poppenbüttel aufgewachsen ist: „Die meisten sind positiv, aber pro Jahr haben wir in der Regel auch eine Beschwerde. Der Anruf ist in diesem Jahr die zweite. Ein Vorwurf lautet manchmal z.B., wir würden Kinder zum Sex verleiten. Dabei ist genau das Gegenteil klar bewiesen, je besser die jungen Menschen sexuell aufgeklärt sind, desto später haben sie Sex und umso sicherer ist es natürlich auch. Genau das ist ja auch unser Ziel.“ Und klar versuche man mit den Plakaten provokant zu sein – allerdings immer mit einem Augenzwinkern.
„Das interessante ist, das junge Leute meist weniger Probleme damit haben als die meisten Erwachsenen. Und mal ganz böse, die Erwachsenen die was dagegen haben, übrigens eine Minderheit, wurden vielleicht selber nicht richtig aufgeklärt, sind an der Stelle verklemmt oder verstehen es falsch. Es ist okay, unsere Arbeit zu kritisieren, wenn man sich anschließend unsere Argumente anhört. Denn junge Menschen, die das lesen können und auch verstehen, sind meist viel aufgeklärter, als sich es viele Erwachsene vorstellen können oder es ihnen lieb ist. Aber das ist nun mal die Realität, denn schließlich werden sie überall mit dem Thema konfrontiert – in der Öffentlichkeit und untereinander. Das können wir nicht verbieten und alles abschalten, wir müssen damit leben, können aber versuchen, jungen Menschen zu helfen diese Eindrücke zu sortieren. Und das ist auch Thema unserer Aufklärungsarbeit.“
Was sagen Sie zu dem Plakat … Top-Aufklärung am richtigen Platz oder moralisch verwerflich? Ihre Meinung interessiert uns – ich freue mich über Zuschriften an: k.wehl@magazin
Mehr Infos gibt es auf www.faqyou.de und bei der ohhh foundation!