Politik, Macht & Hornochsen

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Gregor Gysi hat linkes Denken geprägt und wurde zu einem seiner wichtigsten Protagonisten. Im Sasel-Haus erzählt er am 21. April ab 20 Uhr aus seiner Autobiografie „Ein Leben ist zu wenig“ von seinen zahlreichen Leben: als Anwalt, Politiker, Autor, Moderator und Familienvater.

Seine Autobiographie ist ein Geschichtsbuch, das die Erschütterungen und Extreme, die Entwürfe und Enttäuschungen des 20. Jahrhunderts auf sehr persönliche Weise erlebbar macht.

Kaum ein deutscher Politiker wurde so geschmäht, kaum einer schlug sich so erfolgreich durchs Gestrüpp der Anfeindungen – hin zu einer anerkannten Prominenz.

In seiner Autobiografie erzählt Gregor Gysi von seiner Kindheit und Jugend, schildert seinen Weg zum Rechtsanwalt, gibt Einblicke in sein Verhältnis zu Dissidenten und in die Spannungsfelder an der Spitze von Partei und Bundestagsfraktion. Vor allem aber berichtet er von der erstaunlichen Wendung, die sein Leben mit dem Herbst 1989 nahm: Der Jurist wird Politiker. „Einfach wegrennen, das wollte ich nie“, sagt Gysi und trifft damit einen Kern seines Wesens: Widersprüche aushalten. Ein Leben und eine Familiengeschichte, die von Russland bis Rhodesien führt, in einen Gerichtsalltag mit Mördern und Dieben, und zu der ein Lob Lenins und die Nobelpreisträgerin Doris Lessing gehören.

Ein Leben ist zu wenig, Die Autobiografie, Aufbau Verlag, Gebundene Ausgabe, 583 Seiten, 26 Euro

Am spannendsten an seinem Buch findet Gysi die Passagen, mit denen sein Buch beginnt – die über seine Vorfahren.

Der Politiker und Jurist hat selbst so viel Neues über sich erfahren. „Meine Schwester hat sich mal dafür interessiert, deshalb konnte ich mein Wissen mit ihrer Hilfe aufpolieren. Und das Schöne ist ja, dass man für seine Vorfahren nichts kann. Deshalb macht das auch eine gewisse Freude, darin rumzukramen. Ich habe zum Beispiel festgestellt, dass da russischer Adel dabei war. Spanischer Adel auch. Und einige Kapitalisten,“ erzählt Gregor Gysi.

Und was ist Gysi von Beruf, von der Ausbildung her? Nicht nur Jurist, das kam erst später. Er ist Rinderzüchter!

In der DDR sollten Schüler im Rahmen des sogenannten polytechnischen Unterrichts parallel einen Beruf erlernen, um stärker mit der Arbeiterklasse verbunden zu sein, so auch Gregor Gysi als Besucher der erweiterten Oberschule im Berliner Stadtteil Adlershof. „Das war eine Schwachsinnsregelung“, sagt der 75-Jährige.

Dabei hatte Gysi KfZ-Schlosser werden wollen – aus guten Gründen. „Es war in der DDR schon schwer, ein Auto zu bekommen. Aber noch schwerer war es, es repariert zu bekommen. Ich dachte mir: Wenn ich das alleine kann, umso besser,“ erinnert er sich.

Ganz unbrauchbar war die Ersatzlösung für seine spätere politische Laufbahn aber nicht.

„Rinderzüchter zu sein, ist die beste Voraussetzung, wenn Sie in die Politik gehen! Ausfolgenden Gründen: Ich kann ausmisten. Das müssen Sie auch können, wenn Sie in die Politik gehen. Und die wichtigste Voraussetzung ist: Ich kann mit Hornochsen umgehen. Wenn Sie das nicht können, gehen Sie auch nicht in die Politik,“ sagt der Politiker.

Zur Person

Gregor Gysi ist ein deutscher Jurist und Politiker der Partei DIE LINKE. Als Rechtsanwalt verteidigte das SED-Mitglied in der DDR Regimekritiker und Bürgerrechtler wie Rudolf Bahro, Robert Havemann, Ulrike Poppe und Bärbel Bohley und vertrat die Bürgerbewegung „Neues Forum“. Im Zuge der deutschen Einheit war Gysi als Partei- und Bundestagsfraktionsvorsitzender maßgeblich an der Integration der sozialistischen PDS in das demokratische Parteienspektrum der Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Von 2005 bis 2015 war Gregor Gysi Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Deutschen Bundestag.

Die Moderation des Abends übernimmt der Journalist Hans-Dieter Schütt. Infos www.sasel-haus.de

Aufmacherbild: © Deutscher Bundestag